Die Bewertung der Verhandlungsergebnisse durch den DGB-Bundesvorstand

Der Koalitionsvertrag ist eine politische Absichtserklärung, die wichtige politische Vorhaben für die kommende Legislaturperiode beinhaltet. Der Vertrag ist kein Gesetz. Entscheidend ist die gesetzgeberische Umsetzung in den kommenden vier Jahren. Der DGB und seine Mitgliedsgewerkschaften werden deshalb nicht nachlassen und sich weiter für ihre politischen Forderungen und Ziele einsetzen.

Der DGB und seine Mitgliedsgewerkschaften unterstützen folgende Vorhaben und erwarten im Gesetzgebungsverfahren eine weitere Konkretisierung im Interesse der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer:

Die Erleichterung der Allgemeinverbindlicherklärung (AVE) von Tarifverträgen wird das Tarifvertragssystem stabilisieren und die Tarifautonomie stärken. Damit werden künftig viel mehr Beschäftigte bei der Bezahlung und bei den Arbeitsbedingungen durch tarifliche Vereinbarungen geschützt als bisher.

Die Öffnung des Geltungsbereiches des Arbeitnehmerentsendegesetzes (AEntG) für alle Branchen stärkt die Tarifautonomie, verbessert die Arbeitsbedingungen der Beschäftigten in der Branche und führt für Beschäftige in Deutschland, deren Arbeitgeber im Ausland ansässig sind, zur Zahlung gleicher Mindestentgelte.

Mit der Einführung eines flächendeckenden, gesetzlichen Mindestlohns in Höhe von zunächst 8,50 Euro pro Stunde ab dem 1. Januar 2015 wird eine langjährige Forderung des DGB endlich umgesetzt. Damit verbessern sich die Lebenssituation vieler Menschen und die Wettbewerbssituation von Unternehmen, die ihre Beschäftigten fair behandeln. Wir halten es im Sinne der Tarifautonomie für richtig, dass eine Mindestlohnkommission, in der die Sozialpartner maßgeblich vertreten sind, der Regierung in regelmäßigen Abständen die Anpassung des allgemein verbindlichen Mindestlohnes vorschlägt und die Regierung diese umsetzt. Das Einfrieren des gesetzlichen Mindestlohns in Höhe von 8,50 bis 2018 wird den Erfordernissen der Betroffenen allerdings nicht gerecht. Wir werden uns daher für eine frühere Erhöhung im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens einsetzen.

Die beabsichtigte Konkretisierung der Rechte des Betriebsrates beim Einsatz von Werkverträgen ist sinnvoll, aber in ihrem Anspruch unzureichend. Das von DGB und Gewerkschaften geforderte Zustimmungsverweigerungsrecht beim Einsatz von Fremdfirmen muss stärker aufgegriffen werden. Informationsrechte allein reichen nicht aus, wenn es darum geht, einen drohenden Arbeitsplatzabbau oder Nachteile für die Beschäftigten zu verhindern.

Wir begrüßen die strengere Regulierung der Leiharbeit indem die Überlassung von Leiharbeitnehmern auf 18 Monate begrenzt wird. Die Einführung des Grundsatzes von „equal pay“ nach 9 Monaten geht in die richtige Richtung, reicht aber für einige Branchen insbesondere im Dienstleistungssektor nicht aus, weil eine große Zahl von Leiharbeitskräften nicht erreicht wird. Deswegen fordern wir den Gesetzgeber auf, weitere Maßnahmen zur Vermeidung von sogenannten Drehtüreffekten zu ergreifen. Auch das Verbot, Leiharbeiter als Streikbrecher einzusetzen, ist richtig. Das gilt zudem dafür, dass Leiharbeitnehmer bei den betriebsverfassungsrechtlichen Schwellenwerten berücksichtigt werden.

Es ist positiv, dass die Koalition die bestehenden Lohndifferenzen zwischen Männern und Frauen abbauen will. Im Gesetzgebungsverfahren wird der DGB auf eine stärkere Verpflichtung der Unternehmen hinwirken.

Der Ausbau der Berufseinstiegsbegleitung und -orientierung kann einen Beitrag leisten, um die großen Probleme beim Übergang von der Schule in die Ausbildung zu mindern. Mit dem Ausbau der assistierten Ausbildung wurde eine gewerkschaftliche Forderung aufgegriffen. Dieses Instrument kann betriebliche Ausbildung stützen und helfen, Warteschleifen überflüssig zu machen. Die Stärkung des Konsensprinzips bei den Neuordnungen von Ausbildungsberufen und die Stärkung des Ehrenamtes in der beruflichen Bildung sind ebenfalls zu begrüßen. Wichtig und gut ist auch, dass die künftige Regierung nun auch Fragen der Ausbildungsqualität auf die Tagesordnung setzen will. Positiv ist auch, dass die Ausbildung in den Berufen der Pflege kostenfrei sein soll

Der DGB und seine Mitgliedsgewerkschaften begrüßen, dass es Verbesserungen bei den Rentenleistungen geben soll: Leistungsverbesserungen bei der Erwerbsminderungsrente, beim Rehabudget und beim Übergang vom Erwerbsleben in den Ruhestand. Die geplante abschlagfreie Rente ab 63 Jahren mit 45 Beitragsjahren, bei denen auch Zeiten der Arbeitslosigkeit berücksichtigt werden sollen, stellt eine Erleichterung für den Übergang in den Ruhestand dar.

Die ab dem 1.7.2014 geplante bessere Anerkennung von Kindererziehungsleistungen (für Zeiten vor dem Jahr 1992) muss durch zusätzliche Steuermittel finanziert werden. Sollte die gesetzliche Rentenversicherung hingegen mit gesamtgesellschaftlichen Aufgaben belastet werden, würde ihre zurzeit stabile Finanzsituation in kurzer Zeit zunichtegemacht werden.

Die Ankündigung von CDU/CSU und SPD, den Beitragssatz in der gesetzlichen Rentenversicherung nicht zu senken, sondern auf dem Stand von 18,9 % zu stabilisieren, ist ein erster richtiger und notwendiger Schritt, der umgehend umgesetzt werden muss. Die Finanzierung der Rentenpolitik ist jedoch im Koalitionsvertrag nicht dargelegt. Um den demografischen Herausforderungen zu begegnen, Planungssicherheit zu schaffen und die notwendigen Spielräume zur nachhaltigen Stabilisierung der gesetzlichen Rentenversicherung zu schaffen, sollten die voraussichtlich ab dem Jahr 2018 aus demografischen Gründen erforderlichen Beitragssatzsteigerungen bereits in dieser Wahlperiode in kleinen Schritten vorgezogen werden.

Es ist zu begrüßen, dass der neue Pflegebedürftigkeitsbegriff so schnell wie möglich eingeführt werden soll. Auch der geplante Rechtsanspruch auf Vereinbarkeit von Pflege und Beruf sowie die beabsichtigte Einführung einer gesetzlichen Lohnersatzleistung für eine zehntägige Auszeit als auch eine Förderung der Ausbildung in der Pflege sind ausdrücklich zu begrüßen. Wichtig und richtig sind die Stärkung der ambulanten Versorgung sowie der Ausbau von Betreuungsleistungen für alle Pflegebedürftigen.

Bei der Finanzmarktregulierung setzt die Koalition vor allem auf die Forcierung und Umsetzung bereits auf internationaler und europäischer Ebene beschlossener Regulierungsvorhaben. Insgesamt zielen diese Maßnahmen darauf ab, den Finanzmarkt langfristig zu stabilisieren. Trotzdem besteht unverändert großer Handlungsbedarf. Wir begrüßen das Bekenntnis zur Finanztransaktionssteuer und erwarten eine zügige Einführung.

Laut Koalitionsvertrag will der Bund Länder und Gemeinden um sechs Milliarden Euro entlasten, die Kitas, Schulen und Hochschulen ausbauen können. Es muss in der Umsetzung aber sichergestellt werden, dass dieses Geld tatsächlich in das Bildungswesen investiert wird. Denn die Länder sind mit der alleinigen Finanzierung eines zukunftsfähigen Bildungssystems völlig überfordert. Wir müssen deshalb den Bildungsföderalismus neu aufstellen, dieses Thema klammert die Koalition leider aus. Das wird neben der Infrastrukturpolitik ein wesentlicher Bestandteil der Arbeit der Föderalismuskommission 3 sein.

Zur Energiewende werden im Koalitionsvertrag die richtigen Themen angesprochen. Die Bedeutung des Wärmemarktes und die Schaffung eines Nationalen Aktionsplans Energieeffizienz werden richtigerweise herausgestellt. Die Schaffung eines Forums Energiewende ist eine richtige Initiative. Die Verlängerung des Stauchungsmodells für Offshore-Windkraft bis 2019 wird begrüßt. Ebenso eine Reform des EEG ab 2014 und die Ausbauziele für die Erneuerbaren Energien und notwendige, europakonforme Ausnahmeregelungen für energieintensive Betriebe.

Der DGB begrüßt die Absicht, die Industriepolitik zu stärken und die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Unternehmen durch gute und produktive Arbeit sowie durch Investitionen und Innovationen zu verbessern. Positiv zu bewerten ist auch, dass dem Zusammenspiel von Industrie und industrienahen Dienstleistungen sowie der Bildung von branchenübergreifenden Netzwerken und Innovationsclustern ein zentraler Stellenwert zugemessen wird.

Bei der Industriepolitik sind die gesellschaftlich notwendigen sozialen und öffentlichen Dienstleistungen im Koalitionsvertrag unterbewertet. Nachhaltige Innovationen, die den sozial-ökologischen Umbau der Industrie- und Dienstleistungsgesellschaft unterstützen, werden im Koalitionsvertrag nur am Rande erwähnt. Bei der Forschung sind drei Prozent des BIP nicht hinreichend.

Quelle: www.dgb.de

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