DGB-Tagung: „Gewalt gegen Beschäftigte des öffentlichen Dienstes“

Beleidigungen, Pöbeleien und tätliche Angriffe: Übergriffe auf Beschäftigte im öffentlichen Dienst nehmen zu. Betroffen sind Polizeibeamte, aber auch Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Bürgerämtern, Jobcentern und Schulen oder Feuerwehren. Was kann man dagegen tun? Und woher kommt die Gewalt? Darüber diskutierten Fachleute in Berlin.

Der Deutsche Gewerkschaftsbund und die Hans-Böckler-Stiftung luden am 23. April 2016 in die Landesvertretung Niedersachsen in Berlin zur Tagung „Gewalt gegen Beschäftigte des öffentlichen Dienstes: Was ist zu tun?“ ein. Beschäftigte aus dem Polizei- und Feuerwehrbereich, aus Jobcentern, Bürger-, Sozial-, Jugend- und Finanzämtern aber auch der Rentenversicherung diskutierten über die Datenlage, die Hintergründe und Möglichkeiten der Prävention sowie der Nachsorge.

„Hundertprozentigen Schutz gibt es nicht“

Die stellvertretende DGB-Vorsitzende Elke Hannack verwies gleich zu Beginn der Veranstaltung auf die Notwendigkeit einer besseren Datengrundlage für Übergriffe im gesamten öffentlichen Dienst und formulierte das Anliegen des DGB, die Ängste und die Gewalterfahrungen der Beschäftigten ernst zu nehmen. Niedersachsens Innenminister Boris Pistorius und Berlins Staatssekretär für Inneres Bernd Krömer berichteten über die Lage in ihren Bundesländern sowie Maßnahmen und Überlegungen für mehr Sicherheit für die Beschäftigten. Beide schlossen aber einen einhundertprozentigen Schutz vor gewalttätigen Übergriffen aus.

Statistische Erfassung ist wichtig

Laut Kriminologe Prof. Christian Pfeiffer seien Gewaltdelikte in Deutschland insgesamt seit Jahren rückläufig. In der Tat gebe es aber einen Anstieg von Übergriffen auf Beschäftigte des öffentlichen Dienstes. Seine Erläuterungen der statistischen Veränderungen zeigten: Der statistischen Erfassung kommt eine zentrale Bedeutung zu. Auf ihrer Grundlage können das ganze Ausmaß erst erfasst und politische Handlungsnotwendigkeiten abgleitet werden.

Wunsch nach Erklärungen

Die Frage nach den Ursachen für Gewalt stand lange im Mittelpunkt der Beiträge und der Diskussion. Das Bedürfnis aller Teilnehmenden nach einer Erklärung für das aggressive Verhalten von Bürgerinnen und Bürgern gegenüber Beschäftigten des öffentlichen Dienstes trat deutlich zu Tage.

Berichte aus der Praxis

Kevin Komolka, Vorsitzender der Jungen Gruppe der Gewerkschaft der Polizei, deutete das Verhalten als Angriff auf den Staat. Gerd Zimmer, Vorsitzender des Personalrats des Jobcenter Köln, ging auf die Rolle von Vorgesetzten ein, die Anzeigen von Übergriffen auf Grund des bürokratischen Aufwands lieber vermieden. Das Bundesministerium für Arbeit verweise dann wiederum auf fehlende statistische Belege.

Der GdP-Vorsitzende Oliver Malchow fragte, wie die Gesellschaft auf die Beschäftigten des Staates blicke. Eine bürgernahe Polizei sei zwar erwünscht. Zugleich gehe aber offensichtlich der Respekt vor ihr verloren. Ihre Aufgabe ist die Durchsetzung des staatlichen Gewaltmonopols und Zurückhaltung dürfe nicht zur Schwächung des Staates führen.

Fehlendes Personal verschärft die Gefahr

Wolfgang Pieper, ver.di-Vorstandsmitglied, veranschaulichte anhand zahlreicher Beispiele die verloren gegangene Wertschätzung der Arbeit der Beschäftigten. So würden sogar Mitarbeiter der Straßenbauverwaltung beim Einrichten einer Baustelle angegriffen, weil sich Autofahrer dadurch eingeschränkt fühlten. Eine mangelhafte Personalausstattung verschärfe zudem die Gefahren für die Beschäftigten. Diese These erfuhr durch eine Wortmeldung aus dem Publikum in doppelter Hinsicht Bestätigung. So würden betroffene Beschäftigte häufig ein zweites Mal Opfer weil Staatsanwaltschaften die Verfahren gegen die Täter einstellten. Pfeiffer konnte daraufhin von einer Umfrage bei Staatsanwaltschaften berichten, wonach diese auch auf Grund der Arbeitsdichte Verfahren einstellten. Publikumsbeiträge machten zudem klar: Die beste Fortbildung nütze nichts, wenn man wegen knapper Personalbemessung keine Zeit habe, daran teilzunehmen.

Forderungen: Das ist zu tun

Aus den Vorträgen und der Diskussion ergaben sich folgende Forderungen:

-statistische Erfassung auch über den Bereich Polizei-, Rettungs- und Feuerwehrkräfte hinaus

-alle Vorfälle zur Anzeige bringen

-Unterstützung durch Vorgesetzte und Nachbetreuung

-angemessene Personalausstattung des öffentlichen Dienstes

-Aus- und Fortbildung zum Thema

-gesamtgesellschaftlicher Wertedialog notwendig

DGB-Vize Elke Hannack forderte die Dienstherren auf, den Rechtsanspruch der Beschäftigten auf eine Gefährdungsbeurteilung ihres Arbeitsplatzes auch tatsächlich umzusetzen und ihrer Fürsorgepflicht nachzukommen. Der DGB werde das Thema weiter im Blick haben.

Quelle: www.dgb.de

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