Der Koalitionspoker beginnt

Nachdem die FDP aus dem Bundestag geflogen ist, braucht Bundeskanzlerin Angela Merkel einen neuen Koalitionspartner. Eine große Koalition mit den Sozialdemokraten gilt als wahrscheinlichstes Bündnis.

CDU und CSU haben jetzt genau zwei Möglichkeiten der Regierungsbildung: Sie können zusammen mit den Sozialdemokraten eine große Koalition bilden oder die erste schwarz-grüne Koalition auf Bundesebene wagen. Am Tag nach der Wahl zeigte sich in der CDU eine klare Präferenz für Gespräche mit den Sozialdemokraten. „Ich hatte einen ersten Kontakt mit dem SPD-Vorsitzenden“, sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel. Sigmar Gabriel habe allerdings darum gebeten, erst den Parteikonvent der Sozialdemokraten am Freitag abzuwarten. Dafür habe sie Verständnis.

Merkel scherzte noch, sie habe am Morgen mit Absicht Kleidung in einer neutralen Farbe ausgewählt, damit keine falschen Rückschlüsse auf mögliche Koalitionspräferenzen gezogen würden. Ihr mehrfacher Hinweis, Deutschland brauche „eine stabile Regierung“ wies aber klar auf ein Bündnis mit der SPD hin. „Es ist ja nicht das erste Mal, dass wir in eine große Koalition gehen“, sagte Unionsfraktionschef Volker Kauder.

Die SPD reagierte zurückhaltend. „Es gibt keinen Automatismus in Richtung große Koalition“, sagte ihr Vorsitzender Sigmar Gabriel nach einem Treffen des Parteipräsidiums in Berlin. Die SPD stehe nicht Schlange, nachdem Merkel ihren bisherigen Koalitionspartner ruiniert habe. Alle zukünftigen Gespräche würden „absolut ergebnisoffen“ geführt. Dabei werde die SPD an ihren Prioritäten aus dem Wahlprogramm festhalten, so Gabriel. Ob es inhaltliche Schnittmengen gebe, werde man sehen.

Die SPD weiß natürlich, dass sie aufgrund des schlechteren Wahlergebnisses in einer großen Koalition die Rolle des Juniorpartners spielen wird – mit ungewissen Folgen für die politische Zukunft der angeschlagenen Volkspartei. Schon aus der letzten großen Koalition in den Jahren 2005 bis 2009, ebenfalls unter der Führung von Angela Merkel, ging die SPD geschwächt hervor. Und das, obwohl beide Lager anfangs etwa gleich stark waren. Doch nach vier Jahren in der großen Koalition fuhr die SPD mit 23 Prozent ihr bisher schlechtestes Wahlergebnis im Bund ein. Da war es ein geringer Trost, dass die praktische Regierungsarbeit ganz gut funktioniert hatte.

Keine Basis für schwarz-grün

Dass die Stimmung in den Unionsparteien eher pro große Koalition ist, liegt auch an der weit verbreiteten Antipathie gegenüber der Politik der Grünen. Deren Forderung nach Steuererhöhungen findet Unionsfraktionschef Volker Kauder ein echtes Hindernis. „Mit den Grünen ist es sicher sehr schwer mit ihrer Steuerorgie, die sie da vorgeschlagen haben, mit ihrer Bevormundungspolitik“, sagte Kauder in der ARD. Sondierungsgespräche mit den Grünen halten viele führende Christdemokraten für denkbar, allerdings mit wenig Aussicht auf Erfolg.

Das sehen auch die Grünen so. Wenn Angela Merkel eine entsprechende Einladung ausspreche, werde ihre Partei mit der CDU reden, sagte Fraktionschefin Renate Künast. Ein gemeinsames Ergebnis könne sie sich aber nicht vorstellen. Die Grünen hatten sich mit ihrem Wahlprogramm nach links bewegt und sind in vielen Politikfeldern weit weg von den Positionen der CDU.

Lasten aus dem Wahlkampf

Ein Belastungsfaktor für solche Gespräche könnte der diffamierende Ton sein, den einige CDU-Politiker im Wahlkampf gegenüber den Grünen angeschlagen hatten – diese seien eine „Bevormundungs- und Verbotspartei“, ihr Spitzenkandidat und Fraktionsvorsitzender Jürgen Trittin wegen Fehlern in der Vergangenheit persönlich ungeeignet für seine Ämter. Nach diesen Angriffen ist von den Grünen nicht zu erwarten, dass sie mit fliegenden Fahnen eine gemeinsame Regierung anstreben. Schwarz-grüne Bündnisse gibt es bisher vor allem auf kommunaler Ebene, der bisher einzige Versuch in einem Bundesland hielt zwei Jahre.

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