Flüchtlinge: Der Königsteiner Schlüssel passt nicht mehr

Die Regeln, nach denen derzeit in Deutschland Flüchtlinge auf die einzelnen Bundesländer verteilt werden, sind angesichts der großen Zahl von Asylbewerbern nicht mehr zeitgemäß. Ein neues Verteilungssystem sollte auch den Wohnungsmarkt sowie die Ausbildungs- und Stellensituation vor Ort berücksichtigen.

Was hat die Verteilung der Flüchtlinge auf die Bundesländer mit der Finanzierung wissenschaftlicher Forschungseinrichtungen wie der Max-Planck-Gesellschaft zu tun? Tatsächlich eine ganze Menge: Denn in beiden Fällen werden die jeweiligen Anteile der Länder nach dem Königsteiner Schlüssel ermittelt. Dieser geht auf das Königsteiner Staatsabkommen der Länder zurück, das seit 1949 die Finanzierung der Forschungseinrichtungen regelt. In die Berechnung gehen zu zwei Dritteln das Steueraufkommen und zu einem Drittel die Bevölkerungszahl der Länder ein.

Der Königsteiner Schlüssel wird aber nicht nur für die Berechnung der Länderanteile bei der gemeinsamen Finanzierung wissenschaftlicher Forschungseinrichtungen durch Bund und Länder angewendet, sondern auch für die Verteilung von Asylbewerbern auf die einzelnen Bundesländer. Diese Verteilungssystematik hat sich zwar viele Jahrzehnte lang bewährt – den aktuellen Flüchtlingszahlen wird sie jedoch nicht mehr gerecht.

So weicht die tatsächliche Verteilung der Flüchtlinge in Deutschland längst deutlich von den Szenarien des Königsteiner Schlüssels ab – dies gilt insbesondere dann, wenn man nicht nur auf die Asylbewerber selbst schaut, sondern auch auf diejenigen, über deren Asylantrag bereits entschieden wurde:

Ende 2014 lebten in Nordrhein-Westfalen 29% aller anerkannten Flüchtlinge und 31% Geduldete – der Königsteiner Schlüssel sieht für NRW aber nur eine Asylbewerberquote von 21% vor.

Da die Aufnahme und die Integration von Flüchtlingen maßgeblich von den Kommunen geleistet werden, sollte ein neuer Verteilungsmechanismus stärker auf die Verhältnisse vor Ort eingehen und dabei folgende Faktoren berücksichtigen:

1.Ist geeigneter Wohnraum vorhanden? Der Wohnungsmangel stellt derzeit in vielen Kommunen das größte Problem bei der Aufnahme von Asylbewerbern dar.

2.Wie sieht es mit der medizinischen Versorgung, sozialer Betreuung und weiteren Versorgungsleistungen aus? Wenn es zum Beispiel nicht genügend Allgemeinmediziner in einer Kommune gibt, kann dies ebenfalls die Aufnahmefähigkeit begrenzen.

3.Wie ist die Lage am Arbeitsmarkt? Für eine erfolgreiche Integration der Flüchtlinge ist es wichtig, dass sie möglichst rasch eine Arbeit finden. Die Aufnahmefähigkeit einer Kommune wird also wesentlich von der Lage am regionalen Arbeitsmarkt mitbestimmt. In Süddeutschland sind derzeit besonders viele Stellen unbesetzt – anders als in Ostdeutschland oder im Ruhrgebiet.

4.Gibt es freie Kapazitäten im Bildungssystem? Flüchtlinge sollten die Möglichkeit haben, ihren Bildungsweg in Deutschland erfolgreich abzuschließen und fehlende Qualifikationen nachzuholen. In Baden-Württemberg und Bayern gibt es deutlich mehr freie Lehrstellen als in Nordrhein-Westfalen oder Schleswig-Holstein. Zudem leidet NRW an übervollen Schulklassen.

Quelle: www.iwkoeln.de

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